Am 10. Juni. 2020 wurde Joachim Cierpka in der Kirchenkreissynode zum neuen Superintendenten und damit zum Nachfolger von Hans Hentschel gewählt. Einen Großteil seiner Laufbahn in der Landeskirche Brandenburgs tätig, arbeitete er zuletzt, genau wie seine Frau, als Pastor im Siegerland. Im Interview spricht er u.a. über die ersten Eindrücke seines neuen Arbeitsortes, über den Reiz des Superintendentenamtes sowie seine persönliche Freizeitgestaltung.
Herr Cierpka, stehen die ersten Umzugskartons schon gepackt zu Hause?
Oh ja, so langsam geht es los, dass es im Haus Stück für Stück ungemütlicher wird, da immer mehr in Kisten wandert. Bei uns sind tatsächlich die Bücher aufgrund der schieren Anzahl ein erheblicher Faktor. Da habe ich bereits mit dem Packen begonnen. Mitte September geht es dann nach Bramsche.
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie auf die Ausschreibung aus Bramsche aufmerksam wurden?
Auf die doch etwas ungewöhnliche Ausschreibung, die ja gerade mit dem YouTube-Spot ein ganz neues Element enthielt, bin ich über Freunde aus Worpswede aufmerksam geworden. Die bewusst neuartig gestaltete Form ist mir direkt ins Auge gefallen und hat mein Interesse geweckt. Mir war schnell klar, dass es sich hier um einen außerordentlichen Kirchenkreis handelt – und das meine ich im durchweg positiven Sinne.
Wie war Ihr erster Eindruck von der Region?
Das erste Mal in Bramsche war ich tatsächlich nachts – auf dem Rückweg von Bekannten hatten wir spontan entschieden, kurz von der A1 abzufahren. Suptur und Kirche haben wir trotzdem schnell gefunden und waren insgesamt angetan von dem kleinen Städtchen. Dieser Eindruck bestätigte sich dann auch bei Tageslicht. Bei den Einwohnern habe ich wieder einmal ein Phänomen festgestellt, das mir schon häufiger in Norddeutschland aufgefallen ist: Ich glaube, die Weite der Landschaft färbt ein Stückweit auf die Menschen vor Ort ab. Offenheit und Weitblick sind wohltuende Eigenschaften, die mir während der Bewerbungsphase in den Gesprächen aufgefallen sind. Und auch ganz allgemein gefällt mir die klare und direkte norddeutsche Herzlichkeit.
Was ist für Sie der Reiz am Amt des Superintendenten?
Den Superintendenten sehe ich als eine Art Gelenk zwischen den Gremien der Landeskirche und der eigentlichen Basisarbeit in den Gemeinden. Damit ergibt sich ein Gestaltungspielraum, der sich in dieser Dimension fast nirgendwo anders in der Kirche wiederfindet. Entscheidungskompetenz und damit natürlich auch die Verantwortung sind hoch, gleichzeitig wahrt man im Gegensatz zu den Bischöfen den direkten, beruflichen Kontakt zu den Menschen vor Ort.
Ist es für Sie in diesem Zusammenhang eher Vor- oder Nachteil, dass ein zusätzlicher Gemeindeanteil in der Stelle verankert ist?
Da ich nach wie vor mit Leidenschaft Gemeindepastor bin, war dieser Zusatz für mich ein weiterer, ausschlaggebender Punkt für die Attraktivität der Stelle. Ich finde diese Rückkopplung auch eminent wichtig: die Gemeinde weiß sehr genau was gerade dran ist, und was nicht. So erhält man direktes Feedback für getroffene Entscheidungen. Zudem sehe ich Gemeindearbeit und Predigt nach wie vor als Kern meines Berufes.
Gibt es ein Feld in der Gemeindearbeit, dass Sie besonders gerne bearbeiten würden?
In meinen bisherigen Stellen hatte ich neben der klassischen Gottesdienstarbeit zwei weitere Schwerpunkte: Die Konfirmanden- und die Seniorenarbeit. Zwei sehr unterschiedliche Felder, die aber beide ihren ganz eigenen Reiz haben. Damit werden sie für mich selbst in stressigen Zeiten gewinnbringende Tankstellen, die mich eher Kraft schöpfen lassen, als dass sie Arbeit bedeuten.
Auftanken ist ein gutes Stichwort: Womit verbringen Sie Ihre Freizeit?
Zunächst einmal arbeite ich tatsächlich sehr gerne, weshalb ich immer wieder darauf achten muss, dass ich mir Freizeit einräume. Der Fokus auf die neumodisch so genannte „Work-Life-Balance“ gelingt mir jedoch immer besser. Hier steht für mich dann die Familie an erster Stelle. Meine Frau, sieben Töchter, und zwei Enkelkinder bedürfen Zeit – und das ist auch gut so. Außerdem sind mir Bücher und Kultur wichtig; ein paar Minuten am Klavier lassen mich entspannen. Beim Stichwort Bewegung liebe ich das Schwimmen in offenen Seen; ich denke da bietet Bramsche optimale Gegebenheiten. Und ansonsten ist das Werken mit den Händen, gerne auch im Team, für mich ein idealer Gegenpol zu meiner sonst eher kopflastigen Arbeit.
Viele Politiker haben ein Leitmotto für Ihre Wahl, so wie „Yes we can!“ Was wäre Ihr Motto für den Kirchenkreis?
Tatsächlich begleitet mich ein Leitthema schon länger durch mein Leben. Es lautet: „Hab keine Angst!“ Einen großen Teil meiner Laufbahn habe ich in der Ost-Kirche verbracht. Hier war es für die Gemeindeglieder ungemein wichtig, optimistisch in die Zukunft zu Blicken und sich vor allem vor Veränderung nicht zu fürchten.
Also sehen Sie auch den Meldungen in Bezug auf Austrittszahlen und niedrigere Einnahmen aus der Kirchensteuer entspannter entgegen als so mancher Kollege?
Entspannt ist vielleicht das falsche Wort – ich betrachte die Themen durchaus mit Ernsthaftigkeit und Sorge. Gleichzeitig bin ich sicher: Wir werden Lösungen finden. Und dabei spielt die schiere Quantität keine Rolle, solange Kirche zuhört und nah an den Menschen ist – das hat mich die Zeit in der Ostkirche gelehrt. Wir werden uns verändern müssen, neue Wege gehen und vor allem auch fremde Hilfe akzeptieren.
Wie meinen Sie „fremde Hilfe“ im Detail?
Kirche neigt dazu, lieber eine „handgestrickte“ Lösung zu wählen, auch wenn eine professionellere, aber externe verfügbar gewesen wäre. Wenn ein Riese gebraucht wird, stapeln wir lieber vier kirchliche Gartenzwerge übereinander, als einen wirklichen Hünen zu engagieren. Davon sollten wir uns lösen. Mit Gottvertrauen und solchen, vielfältigen Fähigkeiten wird am Ende alles gut, da bin ich mir sicher.
Vielen Dank Herr Cierpka für das interessante Interview.