Wort des Superintendenten zum Reformationstag
Die Reformation begann als seelsorgerliche Bewegung gegen die Angst. Damals fürchteten die Menschen, "den Himmel zu Verlieren", im Fegefeuer oder ewiger Verdammnis bleiben zu müssen, wenn sie sich, ihre Vorfahren und Kinder nicht freikaufen konnten. Luther machte deutlich: Gott hat euch längst freigekauft, erlöst, befreit – aus Liebe und Gnade – ohne Bedingungen – ohne Ablasszahlung.
Die Reformation wurde ein mutiger Aufbruch voll neuer Hoffnung. Trotz Elend und Verarmung war Zukunft eröffnet und die Welt änderte sich aus dieser neu gewonnen Kraft. Um der Bibel willen lernten Menschen Lesen und Schreiben, und damit eröffneten sich ihnen neue Welten der Erkenntnis bis heute.
Wir fürchten nun nicht mehr den Verlust des Himmels, aber mit gutem Grund den Verlust der guten Lebensbedingungen auf der Erde. Für uns und für die, die nach uns kommen. Krieg, Energiekrise, Klimafragen und Teuerung machen vielen Angst. Die Nachrichten malen immer weitere Krisenszenarien.
Wir Christen und alle Menschen guten Willens haben aber auch guten Grund, nicht in Verzweiflung, Klagen und Resignation stecken zu bleiben. Wir können Menschen beistehen, die Angst zu überwinden. Christus spricht: "In der Welt hab ihr Angst, aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden." Und weiter: "Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende."
Das löst natürlich nicht einfach alle Probleme, aber es weitet den Blick aus der Gefangenschaft und Enge der Sorge und Angst hinaus und öffnet eine weitere Dimension: Wir sind nicht allein! In der solidarischen Gemeinschaft ist Gott beheimatet. Das ruft uns zum Denken und Handeln miteinander im Kleinen wie im Großen. Wo dies beginnt, stoßen die Kräfte der Destruktion und zerstörenden Vereinzelung an ihre Grenzen. Das Gegeneinander endet und führt zu gemeinsamem, zukunftsstiftendem Handeln und Reden. Wir haben einander im Blick. Keiner geht verloren, keine bleibt außen vor. Wir stehen gemeinsam gegen die Angst!
Das ist die Kraft der Gemeinde. Das ist die Botschaft der Verheißung, die Zukunft schafft und durch schwierige Zeiten trägt. Dafür trete ich mit Ihnen allen ein – und wir setzen gemeinsam Zeichen der Hoffnung zu diesem Reformationsfest.
Wir wollen Wandel zum Guten hin. Und das gilt für die breite Mehrheit der Menschen. Wir dürfen die Bühne nicht den Schreihälsen der Gewalt und des Gegeneinanders überlassen, so sehr sie sich auch populistisch mit Unwahrheiten, Geld und vermeintlicher Macht in Szene setzen.
"Wir sind das Volk – das Gottesvolk- ganz gleich welchen Glaubens!" Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen! Wir wollen Lichter der Hoffnung entzünden, Worte des Lebens sagen, Brücken der Versöhnung bauen und dem Frieden dienen. Und wir sind viele. Sehr viele! Sagt es einander. Macht es spürbar! Dann haben wir die immer erneuernde, reformatorische Botschaft Gottes verstanden und lebendig gemacht.
Ich wünsche Ihnen Frieden, Gutes und Gottes Segen zum Reformationsfest.
Joachim G. Cierpka, Superintendent